Online-Musikunterricht

Online-Musikschulen gibt es bereits seit einigen Jahren, doch seit dem Corona-Lockdown sind viele reguläre Musikschulen auf Online-Musikunterricht angewiesen. Ein allgemeiner Überblick und ein Interview mit dem Schlagzeuglehrer und Musiker Markus Strothmann erklären das Verfahren und Vor- und Nachteile.

Digitalisierung im Vormarsch

So funktioniert Online-Musikunterricht

Positive Rückmeldungen kann beispielsweise die Musikschule Halle verbuchen. Querflötenunterricht per Skype gewährleistet das Üben neuer Passagen und Korrekturen in Haltung und Griffweise. Nur der Klang bleibt auf der Strecke. Die Unterrichtszeiten bleiben wie verabredet oder ändern sich individuell nach Absprache. Normalität in der Zeit der Corona-Krise ist das Ziel. Die Digitalisierung des Musikunterrichts hätte erst schrittweise geschehen sollen, doch die Zeit der Quarantäne zwingt viele Musikschulen bereits jetzt zum digitalen Wandel.

So ist Online-Musikunterricht beispielsweise in Gütersloh für Lehrer verpflichtend. Via Smartphone, Laptop oder PC wird nun unterrichtet und sogar der von der Polizei verwendete Messenger-Dienst Signal wird eingesetzt. Die Sicherheit des Datenschutzes ist Priorität. Junge Kollegen sehen die digitale Kommunikation als Selbstverständlichkeit, ältere Kollegen hingegen sträuben sich etwas gegen die technischen Erneuerungen. Doch die Sicherung der Existenz steht vor der pädagogischen Aufgabe. Begeisterung über die durch den Musikunterricht erlangte Normalität im Alltag der Kinder überwiegt.

Musikunterricht – so wichtig wie nie zuvor

Markus Strothmann erklärt: "Es gibt verschiedene Ansätze und Plattformen. Kollegen nutzen zum Beispiel Zoom, Jitsi, Skype, Facetime, Whatsapp Call sowie weniger bekannte Anbieter. Hier in Hamburg musste alles sehr schnell gehen, da die Krise unmittelbar nach den Ferien in den ersten beiden Märzwochen eingesetzt hat. Da gab es von Seiten aller Beteiligten ein besonderes Feeling, wodurch jedes Mittel genutzt wurde – Hauptsache es ermöglicht den Unterricht. Denn der Musikunterricht ist gerade jetzt so wichtig wie nie zuvor. Ich blicke in wahnsinnig viele, sehr glückliche Augen, die sich nach Abwechslung sehnen und sich darüber freuen, dass ihnen in Form vom Schlagzeugunterricht noch ein klein wenig Alltag bleibt. Man kann mit dem Schüler online Kontakt halten. Die Voraussetzung ist allerdings, dass es vom Schüler und den Eltern gewollt ist. Man muss auch eher daran denken, an den Unterrichtstermin zu erinnern. Nachdem ich in einer Woche einen Unterrichtstag aus persönlichen Gründen ausfallen lassen musste, haben einige Schüler und Eltern in der Folgewoche den Termin vergessen."

Die Vor- und Nachteile von Online-Musikunterricht

"Bei manchen Anbietern ist es sehr einfach. Jedes Smartphone und Tablet oder auch jeder Computer kann als Kamera eingesetzt werden. Man kann also verschiedene Kameraperspektiven nutzen und dadurch manche technischen Aspekte besser vermitteln. Außerdem kann man prüfen, ob die Schülerinstrumente korrekt aufgebaut sind. Zudem fallen alle Anfahrtswege weg. Weil man aber nicht physisch miteinander verbunden ist, ist es wichtig, das persönliche Gefühl zueinander weiterhin zu erhalten. Das ist bei Schülern, die man seit vielen Jahren kennt, im Regelfall kein Problem. Mit jungen Schülern, die man noch nicht so lange unterrichtet, kann das schwerer sein. Besonders dann, wenn es ihnen schwerfällt, Augenkontakt über die Kamera zu halten. Dieser Augenkontakt ist essenziell für das Persönliche, aber auch für Feedback. Man muss sicher wissen, dass das Kommunizierte verstanden wird. Außerdem ist Online-Unterricht nur mit einer begrenzten Teilnehmerzahl möglich. Der Erfolg vom Gruppenunterricht ist überdies stärker abhängig von der Disziplin und dem Kommunikationsfluss einzelner Teilnehmer. Was mir sowie vielen Kollegen und auch Menschen aus anderen Branchen auffällt, ist, dass es sehr viel anstrengender ist, online zu unterrichten. Man neigt zunächst dazu, lauter zu reden. Außerdem muss man zu hundert Prozent permanent anwesend sein und die Schüler stärker leiten als sonst. Man ist diese Form der Arbeit ohnehin noch nicht gewohnt. Dementsprechend muss der eigene Unterrichtsstil angepasst werden, was viel Kraft kostet. Nach 4 vollen Wochen des Online-Unterrichts habe ich so langsam das Gefühl, in eine Routine zu kommen und abends nicht mehr ganz so erschöpft zu sein."

Mehr Arbeit durch Technik

"Es gibt bereits im Vorfeld ein zusätzliches Maß an Arbeit. Es reicht nicht aus, dass der Lehrer technisch auf den Unterricht vorbereitet ist. Auch die Schüler müssen technische Voraussetzungen erfüllen. Das fängt bei der Optimierung der Internet-Verbindung an. In Häusern mit schlechter WLAN-Verbindung können Kabelverbindungen Wunder bewirken. Es geht über die Einrichtung und Einstellung von Apps bis hin zum Aufstellen der Kamera und möglicherweise dem Präparieren des Instruments. Schlagzeuge sind laut. Die müssen für manche Mikros gedämpft werden. Die Unterrichtsinhalte werden einerseits technischer, weil das online gut umzusetzen ist. Musik gemeinsam zu begleiten ist technisch schwerer – zumindest reichen meine verfügbaren Mittel nicht aus, um das professionell umzusetzen. Andererseits werden Gespräche wichtiger, weil man sich gut über Musik im Allgemeinen austauschen kann und ich den Schülern von Woche zu Woche neue Hörempfehlungen oder gute Internetseiten ans Herz legen kann. Im Nachgang der Stunde entsteht etwas mehr Zusatzarbeit. Man muss besprochene Tafelbilder abfotografieren und versenden oder auch Übungszettel für die Folgestunde versenden."

Dankbarkeit für Online-Musikunterricht

"Ich bin überrascht, wie gut Online-Musikunterricht angenommen wird und ich bin auch sehr dankbar dafür, dass es diese Möglichkeit gibt. Ich merke, dass es den Schülern und mir gerade in dieser Krise wahnsinnig viel bedeutet, dass wir uns noch 'sehen' können. Das gibt Kraft, und wenn ich die glücklichen Reaktionen und die strahlenden Augen meiner Schüler sehe, dann bin ich überzeugt davon, dass der Unterricht am Instrument noch nie wichtiger war! Darüber hinaus glaube ich, dass Online-Unterricht uns auch nach der Krise begleiten wird. Sicherlich werden viele Lehrer den Unterricht in dieser Form nutzen, um Nachholstunden zu geben. Möglicherweise bleiben Schüler, die aufgrund vom Studium aufhören, den Lehrern länger erhalten, weil sie durch Online-Unterricht auch gelegentlich aus der Ferne den Kontakt halten können. Ich wünsche meinen Kollegen, die keinen Unterricht geben können oder wollen, dass sie einen sicheren Weg durch die Krise finden. Bleibt alle gesund!"

 

Markus Strothmann


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