Wie können Musiker die Coronakrise konstruktiv nutzen?

Aufgrund der Corona-Krise ist das öffentliche Leben heruntergefahren worden. Bars, Clubs, Diskotheken, Theater, Opern, Konzerthäuser und weitere Kultureinrichtungen sind für unbestimmte Zeit geschlossen worden – scheinbar jede Einrichtung, auf die verzichtet werden kann. Die Priorität der Gesundheit leuchtet als Grund für die Schließungen ein, doch gerade der Verzicht auf Kunst und Kultur verdeutlicht, wie sehr wir sie brauchen.

Musik hilft – helft der Musikbranche!

Hier äußern sich Musiker über die wichtige Bedeutung von Musik in der Gesellschaft und die Aufgabe von Kunst, die nicht nur in Krisenzeiten bedeutsam ist. Solange Musik in der Luft schwingt atmen wir. Musik ist ein gemeinsamer Nenner für alle Menschen. Musik und Musiker sind somit system- und humanrelevant und Musik ist ein Antikörper gegen Viren.

Kunst trainiert den Umgang mit Extremsituationen

Jenny und Andy Grove, ein Singer-Songwriter-Duo aus der ostwestfälischen Hansestadt Herford, nennen sich "White Coffee". Seit einigen Jahren können sie ihren Lebensunterhalt von den Einnahmen der Musik bestreiten, die sie bei ihren Konzerten erhalten. Nun sind sie froh, dass sie auf den Verdienst ihrer Nebenjobs zurückgreifen können.

Existenzängste haben sie nicht. "Katastrophen können immer kommen. Man muss gewappnet sein und es geht immer irgendwie weiter", bekennt Jenny, "aber die musikalische Arbeit fehlt. Wir wollen an dem Anknüpfen, was wir uns aufgebaut haben und weiterhin optimistisch sein. Panik und Angst sind nicht förderlich. Das macht handlungsunfähig."

Raus aus der Schockstarre

Diese Schockstarre versuchen White Coffee also zu vermeiden. Ebenso wie viele andere Künstler sehen sie in der Musik die Aufgabe, etwas zu vermitteln. "In gewisser Weise trainieren Kunst und Kultur doch den Umgang mit Extremsituationen. Ganz allgemein wird jeder Mensch durch Kunst und Kultur angeregt, nachzudenken. Man kann einen Fachartikel zwar mit dem Verstand begreifen, aber wenn man beispielsweise im Theater das selbe Thema erleben kann, löst das ein Gefühl aus und erzeugt dadurch eine andere und intensiviere Wirkung."

Andy ergänzt: "Man geht anders mit dem Thema um. Darum sind Kunst und Kultur gerade in dieser Krise so wichtig." Künstler schaffen also allgemein betrachtet durch ihre Werke eine Orientierung, die in diesen harten Zeiten nötig ist, weil es viele Menschen sich durch die Umstände neu strukturieren müssen.

Instagram für mehr Reichweite

Ihre anfangs limitierte Online-Präsentation haben White Coffee nun ausgedehnt. "Wir tun das für die Kunst", erklärt Andy, "und wir freuen uns, wenn wir unser Konzert bei Instagram posten können und damit Leute aus Berlin erreichen, die wegen der räumlichen Distanz sonst nicht zu unseren Konzerten kommen würden."

"Am Anfang dachten, wir, das sei Blödsinn, aber unsere Internet-Konzerte scheinen die Leute wirklich zu interessieren, wenn sie begeisterte Kommentare schreiben", ergänzt Jenny.

Ob sie ihren Fokus auf ihre Online-Präsentationen forcieren, wissen sie noch nicht. Dennoch: "Wir werden die Entwicklung der Zeit beobachten", da sind sich beide einig.

Zurück zum Radio

Optimismus verbreitet auch Greyhound George, Bluesmusiker und Musiklehrer aus Bielefeld. Auf seinem Facebook-Profil postet er als "Apple Street Radio" täglich musikalische Beträge. Er lebt zu hundert Prozent von der Musik und versucht, seine Existenz nicht als gefährdet zu sehen, denn "Existenzängste haben ja gerade alle. Wichtig ist, dass die nicht überhand nehmen. Alles hilft, nur Jammern nicht."

Derzeit profitiert er von seinen GEMA-Einnahmen, doch als Musiklehrer ist auch er auf Online-Unterricht angewiesen. Begeistert ist er über diesen Zustand nicht: "Als altes Zirkuspferd ist online für mich nur ein schlechter Ersatz für das Richtige, sowohl beim Unterricht als auch bei Konzerten. Gitarrenunterricht über schlechte Internetverbindung ist schrecklich. Alles klingt wie eine Bontempi Orgel."

Die Chance ergreifen

Andi Rohde, Schlagzeuger der Band "Ohrenfeindt", verdient sein Geld als Schlagzeuglehrer, Autor und mit YouTube-Lehrvideos und Workshops. "Es geht in meinen Workshops nicht primär um das Instrument Schlagzeug, sondern eher darum, wie man ein Musikinstrument gesund und effektiv lernt. Die Rückmeldungen der Teilnehmer sind, dass sie meine Lerninhalte auf das allgemeine Leben übertragen können."

Andis Leben kreise immer um Musik, Selbsterfahrung, Selbsterweiterung und Persönlichkeitsentwicklung. Und so sieht er auch in der Corona-Krise die Chance, etwas entstehen zu lassen: "Viele Menschen streben an, nach der Krise alles wieder so werden zu lassen, wie es vorher war. Doch das ist ja ein Trugschluss. Es wird nichts so sein wie vorher. Deshalb lasst uns die Chance ergreifen! Wir können aus der Krise etwas wachsen lassen, das besser ist als das, was vorher war."

Zeit für aufgeschobene Projekte

Man könne nur sein eigenes Verhalten im Umgang mit anderen Menschen verändern und für sich selbst das beste draus machen, erklärt er ganz allgemein und hat im Bezug auf den Corona-Shutdown auch einige Vorschläge. Bei sich selbst beginnt er: "Ich nutze die frei gewordene Zeit für wichtige Arbeiten. Ich drehe Videos, die ich seit Jahren plane, nehme alte Projekte und Ideen in Angriff und nutze die Zeit für Fortbildungen. Nach der Krise werden mein Schreibtisch und mein Kopf freier sein. Es ist ein physischer und mentaler Frühjahrsputz."

Über seine Ausnahme-Position ist er sich bewusst. Er habe keine Familie zu versorgen, doch auch, wenn man sich zunächst um familiäre Verpflichtungen kümmern müsse, könne man durch Selbstfürsorge seine Träume umsetzen. "Ich arbeite viel mit Visualisierung und Autosuggestion." Andi könne es sich leisten, nicht Online unterrichten zu müssen, weil er sein Einkommen teilweise passiv durch Lehrbücher, Videos und GEMA-Gebühren erhält.

Neue Ziele, neue Wege

Aber: "Egal, welchen Job du hast – du hast immer eine Chance, die Zeit jetzt zu nutzen. Das gilt für alle Berufsgruppen. Eine Kneipe kann jetzt renoviert werden und ein Musiker kann sein Instrument intensiv üben, seine Lichtshow im Probenraum testen oder ein Home-Studio einrichten. Als Musiklehrer kann man sich zum Beispiel mit Lernpädagogik auseinandersetzen. Keiner von uns weiß, wie der Konzertmarkt in einem halben Jahr aussieht, aber man kann auch online seine Präsentation verbessern. Als Band schreiben wir Songs, nehmen die Spuren einzeln zu Hause auf und schicken sie uns gegenseitig."

Die Digitalisierung nutzen

Die Digitalisierung und der Nutzen der Technik stehen für Andi also hoch im Kurs, denn er möchte die heutigen Möglichkeiten nutzen. Sie stünden jedem zur Verfügung. So könne man sich mit Virtual Reality auseinandersetzen und sein Einkommen erhöhen.

Fiverr.com als Marktplatz für Dienstleitungen und die Pflege seines YouTube-Kanals als Online-Visiten-Karte seien Beispiele. Ab 4000 Stunden Watchtime und 1000 Abonnenten kann Werbung auf die eigenen Videos geschaltet werden. Für jede Werbung bekomme man einen halben Cent. Dauerhaft erziele man dadurch Profit.

Das Lesen von Selfimprovement-Büchern steht bei dem optimistischen Trommler ebenfalls hoch im Kurs, denn: "Es kreist alles um die Grundidee: Egal, in welchem Beruf du aktiv bist – du kannst jetzt alte Pläne angehen und dafür sorgen, dass du besser dastehst."

Weitere interessante Informationen über Greyhound George, Andi Rohde und White Coffee finden Sie auf den Seiten


Bildquelle: Romain Hus / Unsplash