U2, Köln, 2018

Konzert: U2

Ort: Köln, Lanxess Arena

Datum: 4.-5.9.2018

Dauer: je 140 Min.

Zuschauer: 2 x 18.000 ausverkauft

 

Konzertbericht

Alles scheint wieder einmal eine Nummer zu groß. Die Leinwand, die Bühne(n), die sich durch die ganze Halle erstreckt, enorme Licht-und Bühneninstallationen hängen unter dem kompletten Hallendach in nicht zählbarem Ausmaß.

Bono sitzt derweil auf der B-Stage und schminkt sich in Ruhe den Mcphisto Teufel von der Zoo-TV Tour wieder aus dem Gesicht. Er führt ein imaginäres Telefonat mit seiner Frau Ali und dieses Musiktheater würde ich keiner anderen Band der Welt durchgehen lassen. 

Aber zuvor haben sie halt "Acrobat" gespielt. Zum ersten Mal live seit dem Erscheinen der "Achtung Baby" CD 1991, und danach kann Bono erstmal machen was er will. Die Version war wild und ungestüm, The Edge spielt wie ein wütender 19-jähriger, und wohl nur U2 können so einen Song 25 Jahre in die Mottenkiste verbannen. 

Andere Lieder werden heute vom geschröpften Unterrangzahler schmerzlich vermisst. Die komplette "Joshua Tree" bleibt bei dieser Tour außen vor. Für die Band ein mutiger Schritt weg von der Live-Jukebox.

Erstaunlicherweise klingen gerade die überproduzierten Songs der neuen Platte live wieder viel frischer und impulsiver als gedacht. Aber das war bei U2 ja schon immer so. Auch wenn die Setlist also auf dem Papier schwächelt, sich die Band aus unerfindlichen Gründen hier von der Produktion noch mehr in ein Korsett zwängen lässt, dies ist die beste Arena Show die es bisher gab.

Die wie ein Monolith durch die ganze Länge der Halle schwebende und bewegliche Leinwand, die dazu auch noch von der Band begehbar und bespielbar ist, ein Ereignis. Die Band ist fast immer auf der Reise, manchmal lenkt dies leider zu sehr von den Songs und dem messerscharfen Spiel der drei Instrumente ab.

Jeder Saitenanschlag ist hörbar, jeder Trommelschlag erlebbar und der Bass wummert wohlig herum. "I´m only a quarter of these guys, together we are ONE" sinniert Bono am Ende, selten hatte er mehr recht. 

Alle vier sind elementar für den Sound der Band, wahrscheinlich kennt man deshalb auch ihre Namen, keiner fragt nach dem Bassisten von Coldplay. Auffallend jugendlich wirken die Drei, während Bono, früher mit schon fast zuviel Charisma gesegnet, sichtlich gealtert ist. 

Gitarre wird er auf der Bühne nach seinem Fahrradunfall nicht mehr spielen können, aber auch seine Energie ist spürbar geringer. Komischerweise gilt das auch für die Emotionen, die die U2 Shows sonst so einmalig werden ließen.

Das Publikum ist voll da und feiert sogar mit lauten Gesängen die neuen Songs. Aber irgendetwas fehlt an diesen Abenden. Vielleicht liegt es am Charakter der Show. Er will eine Geschichte erzählen. Von den Strassen Dublins hin zu Starallüren und Verlockungen des Berühmtseins, bis zur Rückbesinnung auf die Glühbirne unter der alles begann, und die Bono am Ende wieder hervorholt und wie ein Pendel durch die Halle schwingt. 

Liebe, Versöhnung und die Stärke eines geeinten Europas sind Bonos Themen zur Zeit. Jede Stärke ist nur mit einer anderern Schwäche zu erklären. U2 mit all ihren Stärken, ist ohne den für viele überflüssigen Pathos nicht möglich.

Nicht heute, und nicht 1989 als ich sie zum ersten Mal sah. Ich finde, wir sind gut gealtert. Auf der Leinwand flimmert einer von hundert Merksätzen an diesem Abend: "Weisheit ist die Wiedererlangung von Unschuld durch Erfahrung". So kann man sich das Alter ja doch noch schönreden. Die Reise wird auch mit der jetzt vorhandenen "Experience" weitergehen. Es ist die Reise von vier Freunden. 


Alle Fotos: Michael Graef

Dieser Artikel erschien zuerst im Konzerttagebuch (Mein Zuhause. Mein Blog). Das Konzerttagebuch umfasst ca. 4000 Live Konzert- und Festivalberichte.